Ostfriesentee
Der Ostfriesentee ist eine kräftige, traditionelle Teemischung aus der nordwestdeutschen Region Ostfriesland. Er besteht hauptsächlich aus verschiedenen Schwarzteesorten, wobei Assam-Tee, bekannt für seinen intensiven, malzigen Geschmack, den grössten Anteil ausmacht. Ergänzt wird die Mischung oft durch Ceylon- und Afrikatees, die dem Tee eine herbe Note verleihen, sowie durch Sorten aus Java, Sumatra und Darjeeling, die für ihre feinen und blumigen Aromen bekannt sind. Die genaue Zusammensetzung der Mischung variiert je nach Teehändler und Rezept, bleibt aber in der Regel stark und aromatisch, da sie speziell für den Genuss mit Sahne und Kandiszucker konzipiert wurde.
Teekultur in Ostfriesland
Ostfriesentee ist nicht nur ein Getränk, sondern ein zentraler Bestandteil der ostfriesischen Teekultur, die eine lange Tradition und besondere Rituale aufweist. Ostfriesland ist weltweit für seinen hohen Teeverbrauch bekannt: Pro Kopf trinken die Ostfriesen im Jahr etwa 300 Liter Tee, was das Fünffache des durchschnittlichen Teeverbrauchs in Deutschland ist.
Die traditionelle Zubereitung des Ostfriesentees erfolgt in mehreren Schritten. Zunächst wird Kandiszucker, im regionalen Dialekt „Kluntje“ genannt, in die Tasse gegeben. Der heiße Tee wird dann auf den Kandis gegossen, der dabei charakteristisch knistert. Anschließend wird ein Löffel Sahne vorsichtig am Rand der Tasse hinzugefügt, sodass sie sich nicht vermischt, sondern eine „Wulkje“ (kleine Wolke) bildet. Diese Zubereitungsart wird „mit Sahne und Kluntje“ genannt und verleiht dem kräftigen Tee eine süsse und cremige Note. Der Tee wird traditionell nicht umgerührt, um die unterschiedlichen Geschmacksnuancen beim Trinken zu erleben: zuerst die milde Sahne, dann der kräftige Tee und schliesslich die Süsse des Zuckers.
Teetied – die ostfriesische Teezeit
In Ostfriesland gibt es feste Zeiten, zu denen Tee getrunken wird – die sogenannte „Teetied“ (Teezeit). Üblicherweise wird Tee dreimal am Tag serviert: morgens, nachmittags und abends. Gäste werden stets mit einer Tasse Tee begrüsst, und es gilt als unhöflich, weniger als drei Tassen zu trinken – „Dreimal ist Ostfriesenrecht“. Es wird auch gesagt, dass man erst nach der dritten Tasse einen Löffel in die Tasse legen darf, um zu signalisieren, dass man genug getrunken hat.
Geschichte des Ostfriesentees
Die Tradition des Teetrinkens in Ostfriesland reicht bis ins 17. Jahrhundert zurück. Tee wurde über den Handel mit den Niederlanden nach Deutschland gebracht und fand in der rauen Küstenregion schnell grossen Anklang. Der Tee bot nicht nur eine angenehme Möglichkeit, sich in den kalten Monaten aufzuwärmen, sondern etablierte sich auch als Symbol der Gastfreundschaft und Geselligkeit.
Mit der Industrialisierung und der wachsenden Popularität von Assam-Tees aus Indien festigte sich im 19. Jahrhundert die Tradition des Ostfriesentees, wie wir ihn heute kennen. Teehändler entwickelten ihre eigenen Mischungen, die die regionalen Vorlieben widerspiegelten, und bis heute sind die genauen Rezepturen oft gut gehütete Familiengeheimnisse.
Bedeutung heute
Ostfriesentee geniesst in Deutschland den Status eines Kulturguts. 2016 wurde die Ostfriesische Teekultur von der Deutschen UNESCO-Kommission in das bundesweite Verzeichnis des immateriellen Kulturerbes aufgenommen. Die Pflege der Teetradition wird in der Region nach wie vor grossgeschrieben, und viele Teegeschäfte bieten spezielle ostfriesische Mischungen an, die sich durch ihre Stärke und ihren Geschmack auszeichnen.