Maghrebinische Teekultur

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Grüner Tee mit Minze in Marokko

Maghrebinische Teekultur beschreibt die Tradition der Teezubereitung in den Ländern des Maghreb und im Nordwesten Afrikas. In Algerien, Marokko, Mauretanien, Tunesien und Westsahara sowie bei den Tuareg, wird auf ähnliche Art Grüner Tee mit Zucker gekocht. Häufig wird frische Minze (Pfefferminz) hinzugefügt. Grüner Tee wurde im 18. Jahrhundert in der Region eingeführt.

Teekultur in Nordafrika

Tunesisches Teeservice
Marokkanisches Teetablett

Der Genuss von Kaffee breitete sich im 16. Jahrhundert über Nordafrika aus. Tee wurde in Marokko im 18. Jahrhundert von englischen Händlern zusammen mit Teekannen mit gekröpftem Ausguss eingeführt. Dieses Modell gelangte später nach Süden in die Länder der Sahara und bildet bis heute die Grundform vieler Teekannen.

Zur Teezubereitung wird in einem Topf oder in einer Kanne grüner Tee, meistens Gunpowder, mehrere Minuten in Wasser gekocht. Anschliessend wird der Aufguss in einer zweiten Kanne zusammen und mit viel Zucker nochmals erhitzt. Durch das wiederholte Aufkochen spalten sich die Zuckermoleküle in Glukose und Fructose auf, wodurch sich der Tee geschmacklich verändert. Dannach werden frische Minzeblätter in die Kanne oder in die Gläser geben.

Die Teezubereitung ist in ganz Nordafrika reine Männersache während das Essen traditionell von den Frauen zubereitet wird. Tee wird zu jeder Tageszeit getrunken. Gäste werden üblicherweise mit Tee empfangen und man sollte diesen auf keinen Fall ablehnen.

Marokko

Tee (Minzetee), ist in Marokko weiterhin das Nationalgetränk, obwohl in den Cafés der Städte inzwischen mehr Kaffee als Tee bestellt wird. In den ersten acht Monaten des Jahres 2009 importierte Marokko 38.500 Tonnen grünen Tee aus China und bleibt damit das Hauptabnehmerland von chinesischem grünem Tee, der in einer Gesamtmenge von 1,24 Millionen Tonnen produziert wird.

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Eingiessen von Tee in Marokko

Die traditionelle Teezubereitung in einem bürgerlichen marokkanischen Haushalt findet vor den Gästen im Aufenthaltsraum statt. Der Hausherr oder sein Diener bringt ein Tablett mit Teegläsern, ein weiteres Tablett mit den sonstigen benötigten Utensilien und den Holzkohleherd, auf dem Wasser in einem Kessel zum Kochen gebracht wird. Nachdem die Teekanne mit heissem Wasser ausgespült wurde, kommt grüner Tee hinein, der mit etwas kochendem Wasser abgegossen wird. Der Hausherr fügt nun einen Brocken Zucker von einem Zuckerhut und einige Blätter Minze hinzu und füllt mit Wasser auf. Er giesst sich ein wenig Tee in ein Glas und probiert, ob ausreichend Zucker enthalten ist. Danach füllt er die Gläser der Gäste in einem hohen Bogen und wiederholt dies solange, bis jeder Gast drei Gläser Tee erhalten hat.

Die alten Teekannen bestanden aus Zinn, ihre Grössen waren für 6 bis 16 Gläser bemessen. Aus Messing waren früher die kugelförmigen Behälter mit Deckel für Minzeblätter und die ähnlich geformten Zuckerbehälter. Der feste Zuckerkegel wird mit einem Hämmerchen oder einer Zange, deren Backen längsgerichtet sind, zerkleinert. Das durch Gravur verzierte Teetablett, ebenfalls aus Messing, hat drei geschwungene Füsse, mit denen es auf den Boden gestellt wird.

In heutigen Cafés wird grüner Tee in kleinen Kannen serviert, mit denen der Gast die im Glas befindlichen Minzeblätter und Bruchstücke von weissem Zucker übergiesst. Minzeblätter sollten entfernt werden, bevor sie bitter werden. Anstelle von Minze aromatisieren manche Familien ihren Tee mit Zitronengras oder Wermutkraut.

Mauretanien und Westsahara

Vermutlich erst Ende des 19. Jahrhunderts dürfte sich die Kultur des Teetrinkens von Marokko ausgehend im Gebiet von Westsahara und Mauretanien verbreitet haben. Der maurische Stamm der Ouled Bou Sbaa (Ūlād Bū-Sbā) wanderte um diese Zeit aus der Region um Marrakesch im südlichen Marokko in die heutige Westsahara ein und brachten die Gewohnheit des Teetrinkens mit, die Anfang des 20. Jahrhunderts bis in den Süden von Mauretanien gelangte.

Teegeschirr

Das Teewasser wird in einem Wasserkessel aus verzinntem Kupfer auf einem speziellen Holzkohleherd erhitzt. Der Herd vornehmer Haushalte hat eine mit Lochverzierungen versehene zylindrische Form und steht mit einem Dreifuss auf dem Boden im Zelt oder mitten im Wohnraum. Einfache Herde bestehen aus einer Stahlblechschale mit angelötetem zylindrischen Fuss. Der Wasserkessel wird meist direkt auf die Holzkohle gestellt. Es dauert nur wenige Minuten, bis die Holzkohle zum Glühen gebracht ist und das Wasser kocht.

Die gebräuchliche Teekanne besteht entweder aus Zinnblech oder Email. Die importierten Emailkannen werden unverändert eingesetzt, dagegen werden die industriell gefertigten Zinnkannen von Kunstschmieden zusätzlich verziert. Diese aufwändig hergestellten Teekannen sind nur noch in wenigen Haushalten anzutreffen, im Alltag überwiegen heute Email- oder Edelstahlkannen.

Serviert wird auf dem Teetablett. Um die Zuckerbrocken zu zerkleinern braucht es einen Zuckerhammer. Wertvolle Stücke mit feinen geometrischen Mustern wurden früher durch Auflöten von Kupfer- und Silberblechen auf einen Messingkern hergestellt. Teegläser sind meist Importware aus Frankreich. Zum vollständigen Teeservice gehören schliesslich noch eine Zuckerdose und ein Behälter für den grünen Tee.

Teezeremonie

Strassenverkauf vor dem Marché Capitale in Nouakchott

Zu Beginn der Teezubereitung übergiesst der Gastgeber die trockenen gerollten Teeblätter in der Kanne mit etwas heissem Wasser, das nach einigen Sekunden weggegossen wird. Die Teeblätter sind damit vom Staub befreit und leicht gequollen. Die Kanne wird nun mit heissem Wasser aufgefüllt und mit Zucker versetzt. Nach etwa einer Minute wird ein Glas halbvoll mit Tee gefüllt und sofort beiseitegestellt. In die Kanne kommen ein weiteres Stück Zucker und eventuell frische Minze. Die wesentliche Prozedur ist das folgende Einfüllen des Tees aus grosser Höhe in ein Glas und Zurückleeren in die Kanne. Dieser Vorgang wird mehrfach wiederholt, bis sich im Glas eine hohe Schaumschicht gebildet hat. Zwischendurch muss mehrfach probiert und nachgesüsst werden. Erst wenn die Geschmacksprobe zufriedenstellend war, erhält jeder Anwesende ein etwa bis zu drei Zentimetern hoch mit Tee gefülltes Glas. Auf der Flüssigkeit sitzt ein ebenso hoher Schaumberg. Vor der zweiten Runde wird der Tee in der Kanne mit kochendem Wasser und mit dem zuvor reservierten konzentrierten Tee im Glas aufgefüllt und nochmals aufgekocht. Da der Schaum in den Gläsern erhalten bleibt, erfordert das zweite Eingiessen nicht mehr so grosse Aufmerksamkeit. Beim dritten Ausschank ist der "thé Mauritanie" dünn und bitter geworden.

Tuareg

Tuareg beim Eingiessen von Tee

Spätestens Ende des 19. Jahrhunderts brachten Händler grünen Tee aus Algerien und anderen Orten nach Timbuktu.

Die Tuareg verwenden zum Teekochen meist eine runde emaillierte oder eine Edelstahlkanne, welche direkt auf die glühende Holzkohle gestellt wird. Dem Schaum wird dieselbe Bedeutung beigemessen wie in Mauretanien. Das Glas sollte höchstens halbvoll sein. Der dritte Aufguss darf und muss lange kochen, da die Blätter bis dahin praktisch ausgelaugt sind. Mindestens ein Glas Tee sollte der Gast trinken, wenn er ein fremdes Haus betritt.

Bei den Tuareg besitzen viele den "Tafadist" genannten Zuckerhämmer einen Ring am Griffende, durch den der kleine Finger gesteckt wird. Alternativ zu den reich verzierten Messinghämmern erfüllen gelegentlich wie in Mauretanien Ventilstempel aus alten Motoren denselben Zweck und geniessen eine ähnliche Wertschätzung durch ihren Besitzer.